Vorstellung meiner quantitativen Anlagestrategie
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Wie bereits angekündigt, habe ich meinen Fokus auf das quantitative Investieren gelegt. Im Folgenden wird meine derzeitige Strategie vorgestellt, die aber noch ein „work in progress“ ist. Die Strategie beinhaltet die drei Faktoren Value, Momentum und Quality, außerdem ist sie Long-Only. Sie kombiniert alle Faktoren, es wird also nicht ein Portfolio aus drei Strategien (eine je Faktor) konzipiert. Die Strategie nenne ich ganz überheblich Holy Trinity. Die einzelnen Faktoren werden im Folgenden genauer vorgestellt.
Value
Der Value-Faktor wird nicht durch eine Kennzahl, sondern durch einen Value Composite abgebildet. O’Shaughnessy (2012), sowie Carlisle und Gray (2013), haben bereits die Vorteilhaftigkeit eines Value Composites gegenüber Einzelkennzahlen belegt. Der Hauptvorteil liegt darin, dass das System robuster gegenüber Ausreißern ist. Der verwendete Value Composite besteht aus den vier folgenden Kennzahlen:
• EBIT/EV
• KBV bzw. B/M
• EV/S
• GPA (Gross Profit/Total Assets).
Der Mix aus Kennzahlen soll möglichst breit gefächert sein. Die einzelnen Kennzahlen sind bewusst ausgewählt worden.
EBIT/EV, ist ausgewählt, da dieses dem Acquirer‘s Multiple entspricht, dessen Vorteilhaftigkeit von Carlisle (2017), Schwarz und Hanauer (2024) und durch eigene Tests (siehe Beitrag) belegt ist.
Das KBV (invertiert Book to Market) ist die klassische akademische Value-Kennzahl und unterscheidet sich grundlegend von den anderen Kennzahlen, da sie keinen Wert aus der GuV ins Verhältnis setzt, sondern einen aus der Bilanz.
P/S ist nach der dritten Auflage von O’Shaughnessy’s „What works on Wall Street“ (2005) die Kennzahl mit der besten Performance. Da ich die Enterprise-Kennzahlen bevorzuge, ist P/S zu EV/S geändert worden.
Abgerundet wird der Value Composite durch GP/TA, diese Kennzahl ist durch die Arbeit von Novy-Marx (2010) bekannt. Sie scheint mir aber, u.a. anhand der Downloadzahlen des Papers, nicht sehr weit verbreitet zu sein. Carlisle und Gray (2013) zeigen aber die Vorteilhaftigkeit dieser Kennzahl. Da der Rohgewinn (Gross Profit) unabhängig von der Kapitalstruktur ist, ergibt die Verwendung der Bilanzsumme als Nenner Sinn. Die Kennzahl ist aber insgesamt eher eine Quality-, als eine Value-Kennzahl.
Es ist nicht ausgeschlossen, dass mein Value Composite noch um weitere Kennzahlen ergänzt wird. Mit z.B. dem Free Cashflow fehlt eine sehr prominente Value-Kennzahl.
Für die Ermittlung des Value Composites werden die Kennzahlen zuerst einzeln betrachtet, jede Kennzahl einzeln rangiert und am Ende (die Ränge) zu einem Gesamtwert summiert. Je höher der Gesamtwert, desto besser.
Momentum
Als Momentum-Faktor wird zurzeit die Performance des Aktienkurses der letzten 12-Monate betrachtet. Diese muss positiv sein. Damit handelt es sich um eine Time-Series-Momentum-Kennzahl. In akademischen Veröffentlichungen wird normalerweise der neueste Monat nicht berücksichtigt. Ich werde wahrscheinlich langfristig auch auf diese Vorgehensweise wechseln.
Quality
Als Quality-Kennzahl wird der FS-Score von Carlisle und Gray (2013) verwendet, der eine Adaption des Piotroski F-Score ist. Zum Vergleich von F- und FS-Score wird noch ein eigener Beitrag erscheinen. Es werden nur Aktien mit einem Wert >= 8 beachtet. Die 10 Kennzahlen des FS-Scores decken ein breites Spektrum an Qualitätskennzahlen ab, dementsprechend werden keine weiteren Quality-Kennzahlen betrachtet.
Selektion
Ähnlich dem Piotroski F-Score (2000) oder dem FS-Score von Carlisle und Gray (2013) werden die Aktien nach der Value-Komponente rangiert. Die ausgewählten Faktoren ergänzen sich gut, denn Value und Momentum sind negativ korreliert, wie auch Quant-Value und Quality. Wenn Value allein verwendet wird, besteht das Risiko in Value Traps zu investieren. Momentum sorgt quasi für einen Katalysator, da der Markt auf die Aktie aufmerksam geworden ist und das Potential, zumindest ansatzweise, erkannt hat (Petersen 2015). Der Quality-Faktor verringert das Risiko einer Value Trap weiter. Im Endeffekt werden bei dieser Strategie Aktien gekauft, die sich in einem Aufwärtstrend befinden und relativ günstig für ihre Qualitätslevel sind.
Backtesting
Die Backtests basieren auf Daten von Portfolio123. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Ergebnisse durch Survivorship Bias und Look-Ahead Bias verzerrt sind. Transaktionskosten, Steuern und andere praktische Merkmale bleiben unberücksichtigt, da es sich bei den Ergebnissen um Indizes handelt, die nicht direkt investierbar sind. Die verwendeten Daten und Berechnungsmethoden können Ungenauigkeiten oder Fehler enthalten, und bestimmte Annahmen wurden getroffen, die in der Realität abweichen können. Die Ergebnisse können je nach gewählter Datenquelle variieren. Der Betrachtungszeitraum beträgt 16 Jahre vom 01.01.2009 bis 31.12.2024. Für valide Aussagen über die langfristige Performance der vorgestellten Strategien, ist ein solcher Zeitraum zu kurz.
Wie im Beitrag zum Formel Investing, werden zuerst die Ergebnisse für die P50-Portfolios (50 Aktien) und danach für die P25-Portfolios (25 Aktien) dargestellt. In Abbildung 1 ist die Entwicklung der kumulativen Performance der einzelnen P50 Portfolios abgebildet.
Deutlich erkennbar ist die Outperformance von den 52W- und 26W-Portfolios, sowie die Underperformance des 13W-Portfolios, dessen Underperformance erst 2020 einsetzt.
In Tabelle 1 sind die einzelnen Kennzahlen zu den Varianten aufgelistet.
Die 52W- und 26W-Portfolios outperformen den S&P 500. Das 13W-Portfolio underperformt den S&P 500 deutlich.
Der S&P 500 hat mit -33,72 % den geringsten maximalen Verlust und die niedrigste Volatilität (Standardabweichung). Die Holy Trinity-Portfolios weisen höhere Verluste (bis zu -42,52 %) und höhere Standardabweichungen (18,28 % - 19,35 %) auf. Die Standardabweichungen sind aber immer noch sehr niedrig für Portfolios mit 50 Aktien.
Der S&P 500 Index hat die besten Sharpe, Sortino und MAR Ratios. Die Holy Trinity-Portfolios haben niedrigere, aber immer noch sehr gute Rendite/Risiko-Kennzahlen.
In Abbildung 2 ist die Entwicklung der kumulativen Performance der einzelnen P25 Portfolios abgebildet.
Deutlich zu erkennen ist die Outperformance des 52W-Portfolios. Die beiden anderen Portfolios erzielen bis 2019 die gleiche Performance wie der S&P 500, hängen seitdem aber zurück.
Das 52W-Portfolio erzielt die höchste Gesamtrendite/CAGR und outperformt den S&P 500. Die anderen beiden Varianten bleiben deutlich hinter dem S&P 500 zurück.
In Tabelle 2 sind die einzelnen Kennzahlen zu den Varianten aufgelistet.
Das 52W-Portfolio outperformt den S&P 500, während die beiden anderen diesen underperformen. Der maximale Verlust ist bei allen Holy Trinity-Portfolios nahezu identisch und etwas höher als beim S&P 500. Die Standardabweichungen sind, für Portfolios mit 25 Aktien, sehr niedrig.
Der S&P 500 Index hat die besten Sharpe, Sortino und MAR Ratios. Die Holy Trinity-Portfolios haben niedrigere, aber immer noch sehr gute Rendite/Risiko-Kennzahlen.
Zusammenfassung des Backtests
Bei P50- und P25-Portfolios sinkt die Rendite, je öfter das Rebalancing bzw. die Neuberechnung durchgeführt wird. An die risikobereinigte Rendite des S&P 500 kommt kein Portfolio heran. Überraschenderweise sind die maximalen Verluste in den breiter diversifizierten P50-Portfolios größer als in den P25-Portfolios. Die Volatilität ist, wie zu erwarten, niedriger.
Noch ein paar Worte zur Performance des S&P 500, um diese einordnen zu können. Dieser hat eine jährliche Rendite von 14,31 % erzielt. Das ist ein sehr guter Wert und deutlich über den historischen Werten. Zum Vergleich betrug die jährliche Wachstumsrate (CAGR) von 1964 bis 2011 9,52 % (Gray und Carlisle 2013). Sharpe- und Sortino-Ratio sind mit 0,91 und 1,22 ebenfalls außerordentlich gut. Zur Einordnung: Sharpe-Ratios ab 0,50 können, vor allem im Portfoliokontext, als gut eingestuft werden (Kestner 2014). Diese guten Ergebnisse sind hauptsächlich durch das Fehlen von Marktkorrekturen entstanden. Außerhalb der Coronazeit hat es im Betrachtungszeitraum keine große Marktkorrektur gegeben. Die sehr guten Sharpe- und Sortino-Ratio sollten bei einem Test über einen längeren Betrachtungszeitraum sinken und damit normalisieren. Zum Vergleich betrug die Sharpe-Ratio 0,33 von 1964 bis 2011 und die Sortino Ratio 0,50 (Gray und Carlisle 2013). Warren Buffett hat im Zeitraum von 1976 bis 2011 eine Sharpe-Ratio von 0,76 erzielen können (Pedersen 2015). Die Standardabweichung befindet sich, im historischen Vergleich, auf einem normalen Niveau (Gray und Carlisle 2013). Dementsprechend schwer ist es für Anlagestrategien diesen zu schlagen, vor allem risikobereinigt.
Portfolioaufbau
Das Portfolio ist international aufgestellt. Zum Start besteht es aus den USA, Großbritannien und Deutschland. Die Aufteilung beträgt zum Anfang 50 % USA, 25 % Großbritannien und 25 % Deutschland. 48 Aktien umfasst die US-Strategie und jeweils 24 Großbritannien und Deutschland. Andere Länder sollen in Zukunft noch hinzugefügt werden.
Die Aktien werden aber nicht alle zum selben Zeitpunkt gekauft, sondern pro Monat die 4 besten Aktien in der US- und in den beiden anderen Strategien jeweils die besten 2 Aktien. Diese Aktien werden dann für 12 Monate gehalten. Dadurch entsteht ein überlappendes Portfolio. Dieses Verfahren hat den Vorteil, dass Änderungen an der Strategie direkt im nächsten Monat implementiert werden können. Das Rebalancing soll erstmal mit dem Verkauf und Kauf nach einem Jahr erfolgen. Wahrscheinlich wird aber ein unterjähriges Rebalancing zu einem späteren Zeitpunkt kommen.
Menschliche Eingriffe ins Portfolio wird es bei Insolvenzen, Übernahmen, Delistings etc. geben.
Portfolio Update Februar
US-Portfolio
$VLGEA – Village Supermarket
$SGRP – SPAR Group
$SCG – Superior Group of Companies
$APEI - American Public Education
UK-Portfolio
$KGF – Kingfisher
$ECEL – Eurocell
DE-Portfolio
$EVK – Evonik Industries
$TUI1 – TUI
Die vollständige Screener-Liste (maximal 50 Aktien) kann hier gedownloadet werden:
Rechtlicher Hinweis nach WPHG
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